Bikefitting selbst machen
Bei der richtigen Sitzposition sind bereits Millimeter entscheidend. Ist eine der drei Kontaktstellen (Sattel, Lenker, Pedale) falsch eingestellt, kommt es bei vielen Radfahrenden zu Beschwerden in den Händen, im Genitalbereich, in den Knien oder am Rücken. Sie kann auch für einen Kraftverlust beim Treten sorgen.
Es gibt ein paar Grundregeln, nach denen du dein Fahrrad zuhause selbst einstellen kann. Hast du danach weiterhin Beschwerden, solltest du dir professionelle Hilfe holen, denn die richtige Sitzposition wird von vielen individuellen Faktoren beeinflusst (Körperdaten, persönliches Empfinden, Vorbelastungen, Vorerkrankungen, das Fahrrad). Auch solltest du beim diy-Bikefitting immer auf dein Empfinden hören und nicht starr den Regeln folgen!
Kein Bikefitter wird (nur) diese Methoden in einem Fitting anwenden, sie sollen dir aber erstmal dabei helfen, die richtige Sitzposition im Groben zu finden.
In meinem Studio arbeite ich mit patentierter Druckmessung und der dynamischen Videoanalyse um deine Sitzposition in Bewegung zu überprüfen. Diese Technik nutzen nicht alle Bikefitter, aus meiner Sicht sind es aber die beiden wichtigsten Bausteine eines umfassenden Bikefittings.
Sattelhöhe einstellen
Der erste Schritt ist die richtige Sattelhöhe. Man kann die Innenbeinlänge ausmessen und daraus die Höhe berechnen, oder man nutzt die einfachere Fersen-Methode:
- Das Fahrrad im Stand stabilisieren, am besten mit einer helfenden Person und sich gerade und stabil draufsetzen, wie während der Fahrt.
- Einen Fuß mit der Ferse auf das Pedal stellen und bis zur 6-Uhr-Position bewegen.
- Idealerweise ist das Knie fast vollständig gestreckt, aber nicht über- oder durchgestreckt und der Fuß noch auf der Pedale. Falls nicht, Sattelhöhe in Millimeter-Schritten anpassen:
- Hüfte ist abgeknickt = Sattel etwas tiefer
- Ferse hat keinen Kontakt zum Pedal = Sattel etwas tiefer
- Knie ist deutlich gebeugt = Sattel etwas höher
- Bein ist durch- oder überstreckt = Sattel etwas tiefer
Sattelversatz einstellen
Wenn die Sattelhöhe stimmt, prüft man den Sattelversatz, also das Verschieben des Sattels nach hinten oder vorne.
Benötigt wird ein Pendel, was man aus etwas Schwerem wie einem Stein und einer Angelsehne bauen kann, wenn man keines in der Werkstatt hat.
- Wieder stabil und gesichert auf dem Rad sitzen.
- Die Füße wie beim Fahren auf die Pedale stellen (Fußballen ist auf der Pedalachse) und einen Fuß in die 3-Uhr-Position bringen.
- Das Lot-Seil unterhalb der Kniescheibe festhalten und überprüfen, ob das Lot die Mitte der Pedalachse anzeigt.
- Lot hängt weiter vorne als die Pedalachse = Sattel nach hinten verschieben
- Lot hängt hinter der Pedalachse = Sattel nach vorne verschieben
- Bei Rennrädern oder Gravelbikes darf das Lot auch bis ca. 3 cm vor der Pedalachse liegen
Sattelneigung einstellen
Zum Schluss sollte man noch die Sattelneigung überprüfen.
Man kann dazu eine Wasserwaage nehmen, oder mit einem geschulten Blick den Winkel einschätzen. Achtung: Manche Sättel haben hinten einen Versatz auf dem nicht gesessen wird. Diesen nicht berücksichtigen!
Welche Neigung die richtige ist, lässt sich nur mit einer professionellen Druckmessung ermitteln. Hat man aber regelmäßig und schon nach kurzer Zeit Probleme im Genitalbereich und der Sattel zeigt eine starke Neigung, dann sollte man ihn erstmal in eine waagerechte Position bringen und ein paar Testfahrten machen.
Treten dann noch Probleme auf, kann die Sattelnase um wenige Millimeter nach unten verstellt werden, um den Komfort zu erhöhen. Bei anhaltenden Problemen sollte man den Weg zu einem Bikefitter machen, denn Fahrradfahren muss nicht weh tun!
Lenker einstellen
Die Einstellung des Lenkers ist eher komplex, weil es viele Lenkerformen und Griff-Arten gibt.
Abgeknickte oder verdrehte Handgelenke, gedrehte Ellbogen, nach vorne gezogene Schultern – all das sind Hinweise auf die falsche Sitzposition oder ungünstige Komponenten.
Bei regelmäßig auftretenden Beschwerden an den Händen, Fingern, Schultern oder dem Nacken kann ein professionelles Bikefitting eine deutliche Verbesserung bewirken.
Letzter Schritt
Wenn alle Veränderungen gemacht wurden, sollte man noch einmal wie im ersten Schritt die Sattelhöhe prüfen, sie kann sich durch den Sattelversatz und Änderungen am Cockpit wieder verändert haben.
Und die Winkel?
Die richtigen Winkel sind ein oft thematisierter Punkt beim Bikefitting. Es gibt tatsächlich Richtwerte für den Winkel zwischen Oberkörper und Oberarm und dem des Knies, allerdings können diese Angaben die individuellen Aspekte des Radfahrenden nicht berücksichtigen.
So kann ein theoretisch schlechter Winkel unter Berücksichtigung der körperliche Verfassung und des gewählten Fahrrads plötzlich zum idealen Winkel werden. Beschwerden können ihre Ursache also auch in anderen Bereichen haben als im Winkel. Da braucht es dann die Erfahrung und die Hard- und Software eines Bikefitters.
Wer es dennoch gerne wissen möchte, hier einmal die groben Richtwerte für den Oberkörper-Oberarm-Winkel:
Rennrad: >= 90°
Trekkingrad: 70° – 90°
Hollandrad: 20° – 30°
Beim Kniewinkel ist es eindeutiger, da hier die Kraftübertragung besonders relevant ist. Ist das Pedal in der 12-Uhr-Position, sollte der innere Kniewinkel bei 90° liegen!